Die Legende vom Fettstein des heiligen Antonius

Die Legende vom Feststein des heiligen Antonius

In den Notjahren beider Weltkriege ließen die Bücheler Bauern ihren geliebten Pastor, den Pfarrer und Geistlichen Rat Bernhard Michael Steinmetz, natürlich nicht im Stich, sondern sorgten dafür, daß die Suppen im Pfarrhaus nicht gerade zu jenen sagenhaften "Spitalsuppen" wurden, in die beim Löffeln mehr Augen hinein- als herausschauten. Wenn dann ein erstmalig zu Besuch im Pfarrhaus weilender hungriger Städter sich mit sichtlichem Behagen an den auf der Suppe schwimmenden Fettaugen gütlich tat, konnte es geschehen, daß der Hausherr zum Erstaunen des Gastes unvermittelt mit dem Schöpflöffel eine ansehnliche Grauwacke vom Grund der riesigen Suppenterrine hochförderte und das weitere Mahl mit der Erläuterung würzte, dies sei der "Fettstein" des hl. Einsiedlers Antonius, den ihm ein in der Tat merkwürdiges Schicksal zur rechten zeit beschert habe: "Als während des 1. Weltkrieges der Hunger in unser Vaterland einkehrte, besuchte ich nach langer Zeit wieder einmal meinen verehrten Amtsbruder in Landkern jenseits der Wilden Endert. Auf dem Heimweg rastete ich eine Weile an der Greimersburger Filialkirche, an deren äußerer Chorwand der Dorfpatron großfigürlich dargestellt ist - der Einsiedler Antonius mit dem Schwein. Als bäuerlicher Heiliger war mir St. Antonius von Kind an vertraut und schien mir daher immer besonders liebens- und verehrenswert. Ich sprach vor dem Standbild ein kurzes Gebet und als dann mein Blick von dem heiligen Manne auf das riesige Borstentier zu seinen Füßen glitt, kam mir flugs ein gar weltlicher Gedanke, der in dem Wunsche gipfelte, mit solch fettem Schwein manch gegenwärtige eigene und auch fremde Leibesnot lindern zu können. Dabei stieß mein rechter Fuß wie von ungefähr gegen einen Stein an der Kirchenmauer just unter dem Standbild. Die Grauwacke kam mir bei näherem Hinsehen so eigenartig und speckigglänzend vor, daß ich sie aufhob und heimtrug. Dort steckte ich einer plötzlichen Eingebung folgenden seltsamen Fund in den Suppentopf - und glaubt es oder glaubt es nicht - in der Suppe mitgekocht, wirkt der Stein wahre Wunder, wie sich ein jeder selbst am Wohl- geschmack und den Fettaugen zu überzeugen vermag.
Ich wußte mir das Mirakel nicht anders zu deuten, als daß die Greimersburger Grauwacke jener legendäre Stein ist, den der hl. Einsiedler ein Hirtenleben lang beim Hüten der Schweine mit sich herumtrug. Wenn nämlich ein seiner Obhut anvertrautes Borstentier von der Herde abseits lief, dann warf der Hirte einfach von seinem Sitzplatz aus mit jenem Stein nach dessen Speckschwarte, so daß dieser sich mit der Zeit naturgemäß voll Fett saugen mußte. Wie allerdings der Fettstein des hl. Antonius ausgerechnet nach Greimersburg und so unverdient in meine Hände gelangte, daß weiß der Himmel. Immerhin hat er uns in bitterbösen Mangelzeiten vor dem ärgsten Hunger bewahrt."